Ignaz Trammer, Neubürger in der Reihenhaussiedlung in Westmünster, aus Niederbayern zugezogen, berichtet:
Begegnungen
Die Suhle
Genesis
Ewiges Leben
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Sexualmoral
Moral
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Jeden Tag um genau 5.55 Uhr fliegen 5 Schweinchen durch meinen Garten. Warum dies so früh am Morgen geschieht, liegt wohl daran, dass ihnen die Zahl fünf heilig ist. Manchmal rasten sie auf der Birke im hintersten Eck des Gartens, manchmal naschen sie vom Nektar des Löwenmauls, um dann vergnügt wie ein kleiner Mückenschwarm weiter zu fliegen. Manchmal, wenn ich mich ganz ruhig verhalte, nehmen sie neben mir Platz und erzählen von sich.
Von den fünf Schweinchen sind zwei männlich, zwei weiblich und eines ist gleichzeitig männlich und weiblich, also eine Art verschweinerter Michael Jackson. Alle fünf sind genau so rosa, wie der Hintergrund des Transvestinger Wappens. Alle fünf versicherten mir, Gott zu sein, und zwar jeder einer für sich und zusammen seien sie auch ein Gott, fünffaltig eben und einfältig zugleich, so wie bei den Rolling Stones fünf Musiker eine Band bilden und einfältige Lieder spielen, aber das tue wenig zur Sache und man müsse es nicht verstehen, sondern einfach nur glauben. Eigentlich seien sie in Italien zu Hause, erzählten sie mir einmal in vertraulichem Gespräch, dort seien sie auch als Porco Dio, also als Schweinegott, in aller Munde.
Mitunter beschweren sie sich heftig bei mir, dass die Menschen, obwohl sie als Porco Dio eine große Verehrung erfahren, einem gewaltigen Aberglauben nachhängen würden. Da ihrer fünf seien und sie sich fliegend durch den fünfdimensionalen Raum fortbewegen, würden sie beispielsweise von den Menschen erwarten, dass sie fünfmal täglich Flugbewegungen imitierend über öffentliche Plätze laufen. Ich muss gestehen, dass ich immer entsetzte Blicke ernte, wenn ich den Willen meiner Götter nachkomme. Außerdem verlangen die Schweine repräsentative Suhlen. Da habe ich zwar mit meinem Reihenmittelhausgrundstück und besonders mit meinen beiden Nachbarn gewaltige Probleme, aber für einen selig machenden Glauben darf kein Opfer zu groß sein.
Wenn die fünf Schweinchen besonders mitteilungsbedürftig sind, erzählen sie mir, wie sie vor 555 Jahren die Welt erschaffen haben. Irgendwie irritiert es mich schon, dass sie das seit fünf Jahren erzählen, aber Götter sollte man nicht mit Logik kommen. Sie sagen, sie hätten die Erde genau so erschaffen, wie wir sie heute vorfinden, eine Evolution habe nie statt gefunden. Auf meinen Einwand, dass die Erde aber so aussehe, als ob sie viel, viel älter sei, lächeln sie verschmitzt und fragen mich, ob ich denn noch nicht bemerkt habe, dass sie Schweine seien.
Die Schweinchen haben mir versprochen, dass jeder, der ihren Willen sein Leben lang getreu erfüllt, nach dem Tod als Schwein im Waldparadies die Sau herauslassen darf. Dort habe kein Schwein mehr Sorgen und das bequemste Leben, das man sich vorstellen könne. Kein Schwein brauche dort zu arbeiten, weil es für jeden die Eier legende Wollmilchsau gebe. Ebenso fallen dort all die lästigen Telefongespräche weg, denn kein Schwein ruft dich an. Wer allerdings ihren Willen nicht erfülle, würde als Schwein in einer Schweinemast wiedergeboren.
Und weil die Schweinchen ihre schweinische Herkunft nicht verleugnen können, machen sie ihren Gläubigen das Leben mit ihren Ge- und Verboten alles andere als leicht. Um das ewige Leben im Schweineparadies zu erlangen, verlangen sie, dass wir unseren Lebensrhythmus umstellen, und zwar so, dass sich dabei ihre Fünffaltigkeit widerspiegle. Fünf Tage Arbeit und einen Tag ruhen. Um sicher zu stellen, dass am sechsten Tag nicht gearbeitet werde, dürfen wir am Ruhetag den linken Arm nicht bewegen. Von Männern erwarten sie außerdem, das sie eines ihrer Extremitäten gekringelt tragen.
Um den Gläubigen den Eintritt in das ewige Schweineparadies nicht allzu leicht zu machen, haben sich die Götter besonders strenge Regeln bezüglich der Nahrung einfallen lassen. Prinzipiell darf zwar alles gegessen werden, am ersten und zweiten Tag der Schweinewoche darf aber nur die linke Körperhälfte von Tieren verzehrt werden, am dritten und vierten Tag nur die rechte. Folglich ist beim Schlachten streng darauf zu achten, dass als erstes das Tier halbiert und dann die Teile gesondert verarbeitet und gelagert werden. Am fünften Tag dürfen nur solche Tiere gegessen werden, die auf einmal ganz verzehrt werden. Und so droht bereits das erste Anzeichen eines Schismas bezüglich der Frage, ob ein Karpfen am ersten bis vierten Tag halb, oder am fünften ganz gegessen werden darf. Als ich den Schweinchen diese entscheidende Frage direkt stellte, meinten sie, dass den Gläubigen durch reichliches Beten schon die richtige Erleuchtung kommen würde, warnten mich aber eindringlich, beim Verzehr von Karpfen einen Fehler zu machen. Am Feiertag können ohnehin nur Mehlspeisen und Suppen serviert werden, weil man mit einer Hand kaum etwas anderes essen kann.
Wie nicht anders zu erwarten, sind die Schweine nackt. Als ich sie irgendwann einmal fragte, ob die Gläubigen ihnen zu Ehren auch nackt durchs Leben gehen sollten, antworteten sie, dass sie ja gar nicht nackt seien, und ob ich denn nicht sehen würde, dass sie die schönsten Kleidchen aus den feinsten Stoffen trügen. Ich verkniff mir die Assoziation von "trügen" und "betrügen" und spielte auch nicht auf des Kaisers neue Kleider an, immerhin wollte ich nicht in der Schweinemast enden. Statt dessen fragte ich sie, ob denn die Menschen auch Kleider aus so edlen Stoffen tragen sollten. Da antworteten sie, dass nur ihnen die edlen Stoffe vorbehalten seien und dass es für die Menschen bezüglich der Kleidung keine Vorschriften gebe. Gläubige dürfen praktisch alles tragen, lediglich blau als Gegenfarbe zu rosa würden sie als Blasphemie betrachten. So habe ich meine geliebten Jeans umgefärbt und sehe jetzt aus wie ein Ferkel. Glücklicherweise gibt es aber auch schwarze Jeans, die ich tragen kann, ohne den Zorn meiner Götter zu erregen.
Irgendwie steht natürlich das Verbot der blauen Kleidung im Widerspruch zu dem Gebot, am Feiertag eine Extremität gekringelt zu tagen, weil diese bei dieser Prozedur blau anläuft. Ich betrachte dies aber als ein virtuelles Gebot, das ohnehin nicht nachgeprüft wird, so wie der Zölibat für katholische Priester auch nur virtuelle Beachtung findet.
Bezüglich der Sexualität ähneln die Gebote des Schweinegottes denen des Essens und der Kleidung. Sie sind einerseits liberal und andererseits ungeheuer streng. Prinzipiell ist Sexualität erlaubt und sogar erwünscht. Allerdings darf der Sex zu Ehren des Schweinegottes nur von hinten erfolgen. Gläubigen ist der Sex mit Ungläubigen verboten, Kinder müssen schweinisch, also im Glauben an den Schweinegott erzogen werden.
Die Schweine schärften mir aber eindringlich ein, dass trotz all der anderen Vorschriften speziell zu beachten sei, dass sie den Menschen nach ihrem Vorbild gemacht hätten. Das bedeute, dass der Mensch nie vergessen dürfe, sich wie ein Schwein zu benehmen. Er habe immer zu seinem Vorteil zu handeln, er habe zu lügen und betrügen, wo es ihm nur möglich sei. Schließlich sollen die Ungläubigen erkennen, dass nur der es auf der Welt am Weitesten bringe, der sich zu dem Schweinegott bekenne. Gläubige, die dieser Moral nahe kommen, dürfen sich Charakter-Schwein nennen. Um diese Moral der Welt nahe zu bringen, sollen sich alle Charakter-Schweine zur "Charakter-Schweine United" kurz CSU, zusammenschließen.
Nachdem die fünf Schweinchen bevorzugt in meinem Garten Rast gemacht und mich in das Geheimnis ihrer Identität eingeweiht haben, ist es nun meine Aufgabe, die neue Religion unter dem Namen Pigismus bekannt zu machen. Ich kann den Lesern nur versichern, dass es die fünf Schweine tatsächlich gibt und dass das, was hier zu lesen ist, genau so aufgeschrieben wurde, wie es mir die Schweinchen predigten. Erste Erfolge sind deutlich erkennbar, die Welt ist wie ein Schweinesystem organisiert: Nie ist genug zu fressen da, Rempeleien ums Futter, manchmal frisst einer den anderen, die Welt sieht teilweise wie ein Saustall oder eine Suhle aus, der Kapitalismus hat sich als bestangepasstes System erwiesen
Das Wichtigste an einer Religion ist ein einfaches aber einprägsames Logo. Ich habe es selbst entworfen und einem Schweinerüssel nachempfunden:
Wallfahrt
Mittlerweile kommen immer mehr Leute, die mich fragen, ob sie sich in meinem Vorgarten in der Suhle wälzen dürfen. Inzwischen finden sich die ersten Votivtafeln an meiner Terrassenwand, die bezeugen, dass nach dem Eingreifen des Schweinegottes eine Schweinerei unentdeckt blieb.
Den heiligen Schnitzel, der in die Falle der Tataren geriet, von 5 Schwertern in Scheiben geschnitten, und unter ihren Sätteln weichgestampft wurde. | |
Den braven Wiener, der bei der Missionierung der Ostarrichi vom innersten nach außen gekehrt wurde. | |
Cordon Bleu, der beim Umhacken der heiligen Eiche der Kelten von selbiger erschlagen wurde. Als Demütigung wickelten die Kelten seine Überreste um einen Schweizer Käse. | |
Die heilige Frikadelle, die von aufgebrachten friesischen Heiden durch ein Sieb geschossen wurde. |