Mit dem nächsten Text gibt der Teschtirp Teile seines Innersten preis, er macht sozusagen ein Seelen-Outing. Er berichtet über Zivilcourage.

Dieser Text war der Teil meines Beitrags beim Liedertreffen 2014. Clemens Jahn hat das Ganze mitgeschnitten und bei Youtube ins Netz gestellt.

Hier kann man es sich ansehen.

Ich möchte euch etwas über mich erzählen, damit ihr euch auskennt, damit ihr mich besser einschätzen könnt:

Ich bin ein unheimlicher Feigling, besonders wenn es ums Körperliche geht. Wenn jemand im Fernsehen eine Spritze bekommt, dann schau ich weg. Als mich der Zahnarzt vorm Plombieren gefragt hat, ob er mir eine Spritze geben soll, hab ich gesagt: "Ja, am liebsten mit Vollnarkose."

Da meite er, dazu müsse er mir auch eine Spritze geben.

Bei mir war das so: Zuerst hab ich Angst vorm Zahnarzt gahabt, dann hab ich nur Angst vor der Angst ghabt. Und als mir das bewußt gewodern ist, hab ich Angst vor der Angst vor der Angst gehabt.

Und dann musste ich mich am Meniskus operieren lassen. Nach mir war ein kleines Mädchen dran, die hat vom Narkose-Arzt eine Urkunde bekommen, eine Tapferkeitsurkunde erster Klasse. Wie mir die auch gezeigt wurde, sagte ich, so etwas wolle ich auch, vielleicht nur dritter Klasse, weil ich eigentlich gar nicht so tapfer bin. Und die Krankenschwestern hatten soviel Humor, dass sie mir auch eine gaben, zwar auch erster Klasse, andere Vordrucke hatten sie nicht.

In der Folgezeit brauchte ich Emboliespritzen in den Bauch, die hat mir meine Frau verpasst, selber hätte ich das nie gekonnt. Meine Frau hat mir da zwanzig Jahre Unterdrückung in der Ehe zurück gezahlt, gnadenlos war sie da. Natürlich hab ich mich immer wieder dabei schrecklich gestellt, und da meinte sie, eigentlich müsste ich ja die Tapferkeitsurkunde zurück geben.

Da hab ich ihr dann schon gesagt, ich wisse, dass ich ein Feigling sein, aber sonst...

Ja, wo sonst?

Ja, wo kann man heutzutage noch seinen Mut zeigen? Schon als kleiner Junge hab ich mich lieber verdrückt, wenn es eine Schlägerei gab, dem Bund hab ich natürlich auch versucht auszukommen, ist mir auch gelungen. Ja, wo könnte ich meinen Mut zeigen? Wo könnte ich so richtig Mut beweisen?

Ich muss mir doch irgendwie die Tapferkeitsurkunde verdienen. Ich möchte so richtig Mut zeigen, aufstehen und sagen, da schaut her, ich lass mich nicht unterkriegen, ich gehöre auch zu denen, ich blase mit, wenn euch der Wind ins Gesicht bläst: es ist mir egal, wenn deshalb in meinem Garten die toten Katzen landen, wenn wir alle zusammen halten, gehen euch die toten Katzen aus.

Ich zeige euch jetzt, was Zivilcourage ist! Ich nehme alle Nachteile in Kauf. Soll mir doch von der Gemeinde besonders auf die Finger geschaut werden, wenn ich mein Dach ausbauen will. Mir ist egal, wenn ich mir alle zum Feind mache.

Ich mach jetzt das große Outing!!

Ich mache mit!!!

Mein Gott, irgendwie muss ich mir doch die Urkunde verdienen!!!

Und deswegen bin ich der SPD beigetreten.

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Es hat sich ziemlich bald herausgestellt, dass ich der einzige bin, der tote Katzen im Garten findet, weil die anderen inzwischen den Schwanz eingezogen haben. Inzwischen weiß ich aber, wie ich die toten Katzen entsorgen kann: Ich leg sie an die Hauptstraße und warte, bis sie vom Straßenbauamt mitgenommen werden.

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