Ich fahr zum Radeln öfter mal in den Breisgau. Da kehrt man auch öfter mal ein, weil es dort einen guten Wein gibt. Und so komm ich Samstag nachmittags in eine Kneipe, und alle Gäste sitzen alle vor dem Fernseher und schauen auf Sky Bundesliga. Und was muss ich feststellen, lauter Bayern-Fans. Jetzt haben die in Freiburg selbst eine so sympathische Mannschaft, die sind mit dem gleichen Trainer drei Mal auf- und abgestiegen. Warum sind das alles Bayern-Fans? Ganz logisch. Als Bayern Fan ist die Wahrscheinlichkeit wesentlich größer, sich über einen Sieg freuen zu können. Da interessiert es nicht, dass Bayern die halbe Liga leer kauft. Wenn da einer in einer Saison 20 Tore schießt, dann wird er gekauft, auch wenn sie schon 3 Sturmspitzen auf der Bank sitzen haben, das spielt keine Rolle, Hauptsache, er schießt für die andern keine Tore mehr. Und da spielt es auch keine Rolle, dass der Hoeneß seine Millionen vor dem Fiskus in der Schweiz versteckt und gleichzeitig im Fernsehen gegen die Steuerpläne der SPD wettert und erklärt, dass dann alle nach Verwirklichung deren Pläne ihr Geld in die Schweiz bringen würden. Er hat sein Geld schon dort gehabt. Seit neuesten spielen die Bayern in schwarz-weiß gestreiften Trikot. Und die haben nicht mehr hinten eine Nummer drauf, sondern vorn eine fünfstellige, dass sich der Hoeneß langsam an sein neues Zuhause gewöhnen kann. Hauptsache, er sorgt dafür, dass die Fans am Samstag nachmittag mit einen Bayern-Sieg ihre Alltagssorgen vergessen können. Freiburg-Fans sind nur solche Masochisten, die daran Lust empfinden, wenn sie sich über eine Niederlage ärgern können.

Mit der Politik ist es in Bayern das Gleiche: Man ist CSU-Anhänger, weil man sich am Wahlsonntag mit Sicherheit über das Ergebnis freuen kann, und nicht, weil die CSU eine so tolle Politik macht. Im Gegenteil, man verdrängt, dass es an Kinderbetreuung mangelt, dass Milliarden Steuergelder für den Kauf von maroden Banken in den Sand gesetzt werden, dass die Staatsstraßen Schlaglöcher haben und dass die Kommunen ihren Aufgaben nicht mehr nachkommen können. Da werden Sozialwohnungen verkauft, die Mieten steigen, die Wohnungen verkommen und die Mieter müssen sich von den Tafeln ernähren. Aber das spielt alles keine Rolle, wenn man am Wahlsonntag das Gefühlt hat, zu den Mehran zu gehören. Und wenn die Großkonzerne Geld in den Arsch geschoben bekommen, hat man zwar nichts davon, außer der Freude mit seinem Kreuz an der Entscheidung maßgeblich beteiligt zu sein.

Ich empfehle nur, interessiert euch für Fußball, dann versteht ihr die Welt. Da ist mir noch etwas ganz anderes aufgefallen: Viele Spieler machen ein Kreuz, bevor sie auf den Platz laufen. Kreuzzeichen machen bekanntlich Christen und von Christen wissen wir, dass es nur einen Gott gibt. Wer also das Kreuzzeichen vor dem Fußballspiel macht, bittet Gott, ihn bei seinem Spiel zu unterstützen. Stellt euch vor, Torwart und Freistoßschütze haben sich beide bekreuzigt, soll er nun den Ball in den Winkel oder dem Torwart in die Arme lenken? So entstehen die Flatterbälle. Oder wenn Polen gegen Brasilien spielt und sich Spieler beider Mannschaften vor dem Spiel bekreuzigen? Vielleicht zählt Gott ja die Kreuzzeichen? Wer weiß. Vielleicht achtet er auch auf die Intensität.

Ist vielleicht Bayern München deshalb so erfolgreich, weil dort die Wallfahrtsdichte am Größen ist? Mitunter verliert auch eine Mannschaft, deren Spieler sich häufiger bekreuzigt haben. Damit haben Gläubige kein Problem, Gottes Wege sind unergründlich, sagen sie dann. Andererseits wissen sie aber ganz genau, was Gott will, behaupten sie wenigstens immer dann, wenn sie die schlechteren Argumente haben..

Liest oder hört man jedoch von Fußballern, Funktionären oder Fans, so kann man sich nicht des Eindrucks erwehren, dass es neben dem einen Gott noch einen Fußballgott gibt. Nachdem sich aber die Aussagen über den Fußballgott naturgemäß je nach Vereinszugehörigkeit widersprechen, muss es wohl mehrere Fußballgötter geben, für jeden Verein einen. Und diese Fußballgötter scheinen umso mächtiger zu sein je mehr Gläubige sie um sich versammeln können. Wahrscheinlich spielen die Fußballgötter die Ergebnisse vorher schon im Himmel an einer Art von Kicker aus. Für Fußballer selbst scheint ein Vereinswechsel und damit der Glaube an einen anderen Fußballgott kein Problem. Bei den Fans des alten Vereins kommen Konvertiten nicht besonders gut an.

Für Fußballer, die besonders innig glauben scheinen die Götter sogar aktiv ins Spiel einzugreifen. So beförderte bei der WM 86 die Hand Gottes für Maradona den Ball ins englische Tor. Zumindest versuchte Maradona 20 Jahre lang alle Welt mit dieser Version für blöd zu verkaufen.

Nichtsdestotrotz, es besteht kaum ein Unterschied, ob einer am Wochenende ins Fußballstadion oder in die Kirche pilgert. Zwar unterscheiden sich Insignien und Lieder, dienen aber in beiden Fällen dem gegenseitigen Erkennen und dem Zusammenhalt. In beiden Fällen wird an etwas geglaubt. Und so wie jeder Fußballfan in seinem Innersten weiß, dass auch woanders guter Fußball gespielt wird, so ahnt jeder Gläubige, dass sein Glaube bei Andersgläubigen nichts anderes als Aberglaube ist. Ich glaube, das ist das Geheimnis des Glaubens.

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