Früher trank man in Bayern dunkles Bier, meist aus Maßkrügen. Heute ist das Bier hell, und es wird aus Halblitergläsern getrunken. Schuld daran sind die Preußen. Und wenn die Halbe nur noch in 0,4l-Gläsern ausgeschenkt wird, aber das Gleiche kostet, dann sind es die Saupreißn, die daran schuld sind.

Alle negativen Veränderungen werden den Preußen angelastet, und Veränderungen kann man viele beobachten in Bayern. Dass die Kartoffel zu "Pommfritz" verarbeitet wurden, ließ man sich ja eingehen, solange Ketchup dazu serviert wurde. Irritierend ist es aber schon, wenn nicht nur in Köln sondern auch mitten in Bayern gefragt wird, ob man zu den "Fritten" "Majo" oder "Ketchup" wolle. Dafür scheint es in Bayern Mode zu werden, zu den Weißwürsten nicht mehr Hausmachersenf sondern Ketchup zu verlangen. Und das schmeckt dann nicht mehr "guat", sondern ist "lecker". Und dass bei der Verabschiedung nicht mehr "pfüadi" sondern "tschüss" gesagt wird, ist wohl auch auf die Preußen zurückzuführen. Den Preußen wird auch angelastet, dass in Bayern nicht zu Hundert Prozent CSU gewählt wird und am Sonntag die Kirchen weniger voll sind.

Überhaupt sind die Preußen an Allem schuld, was sich in Bayern verändert hat. Und da der Bayer in seinem Herzen konservativ ist, ist ihm jede Veränderung zutiefst unangenehm. Wer sich an Veränderungen wagt, der ist suspekt und wird leicht als "Preuße" beschimpft, im Extremfall wird die Beschimpfung um die Vorsilbe "Sau" ergänzt, da interessiert es wenig, ob er nun aus Bayern kommt, oder nicht.

Wer wird nun ein Preuße?

Dazu muss man zwischen den "Preußen" und den "Preißn" unterscheiden. Der Begriff "Preußen" ist auf das ehemalige Königreich Preußen begrenzt. Aus Preißn stammt praktisch jeder Nichtbayer. So kann es nun schon mal geschehen, dass ein Japaner beim Photographieren einer bayerischen Sehenswürdigkeit den Verkehr stört und als "Saupreiß, schlitzaugada" (schlitzäugiger) tituliert wird. Im engeren Sinn wird "Preiß" auf den nichtbayerischen Deutschen angewendet. Zu diesem Zweck wurde manchmal schon der Main zum Weißwurstäquator umfunktioniert und jeder Bewohner nördlich davon zum Preißn degradiert. Bayerische Puritaner sehen bereits in der Donau eine Grenze Bayerns zu den Preißn, womit aber so einem bayerischen Urgestein wie Ottfried Fischer oder Monika Drasch Unrecht getan wird.

Berücksichtigt man die Separationsgedanken einiger Franken, können diese aus bayerischer Sicht gerechtfertigt auch als Preißn bezeichnet werden. Solange aber Franken noch ein Anhängsel Bayerns ist, sind deren Bewohner des Bayern hauseigene Preißn, mit viel gutem Willen "Preißn mit mildernden Umständen".

Eine weitere mögliche Grenzziehung Bayerns zu den Preißn wäre der Begriff "Altbayern", also jene Bayern, die vor der Beliebigkeit Napoleons schon Bayern waren. Dann müssten aber die Bewohner der mittleren und nördlichen Oberpfalz -lautmalerisch "Hougougler" bezeichnet- zu Bayern gerechnet werden.

Eigentlich kommt es aber bei einem "Preißn" gar nicht so sehr auf seine regionale Herkunft an. Wichtig ist vielmehr, ob er sich mit den bestehenden Machtverhältnissen in Bayern abzufinden bereit ist oder nicht. Eine ganz wichtige Voraussetzung dafür, zum "Preißn" degradiert zu werden, ist, sich in Bayern unbeliebt machen. Wer nun das Sakrileg begeht und mit seinen Veränderungswünschen die bayerische Dreifaltigkeit -Katholizismus, CSU, Reinheitsgebot- anzugreifen wagt, muss damit rechnen, als "Saupreiß, vareggta" (verstorbener Saupreuße) tituliert zu werden.

So ist es dem Autor dieser Internet-Seite geschehen (siehe Gästebuch), obwohl er geographisch selbst die strengsten Kriterien eines Bayern erfüllt.

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