Eigentlich dachte der Teschtirp, dass er Tuntenhausen erfunden hätte. Er wurde nämlich des Öfteren wegen seines Kabaretts über Transvesting angefeindet, und so kam er auf sie Idee, in seinem Kabarett Transvesting einfach umzubenennen, und zwar so, dass jeder weiß, dass eigentlich Transvesting gemeint sei. Also begab er sich auf die Suche nach einem neuen Namen. Bei Transvesting fielen ihm Transvestiten ein und er erinnerte sich, dass diese im Volksmund Tunten hießen. Also lag es nahe, sich im Kabarett über Tuntenhausen auszulassen.

Aber dann musste er feststellen, dass schon lange vor ihm Leute über ein gewisses Tuntenhausen witzelten.

Das Ganze begann wohl 1869 als Graf von Arco-Zinneberg (der Name Arco taucht 50 Jahre später im Zusammenhang mit dem Mord am bayerischen Ministerpräsidenten Eisner auf) von seinem Sohn informiert wurde, dass er mit Anderen den "Bairisch patriotischen Bauernverein Tuntenhausen" ins Leben gerufen und dessen Vorsitz übernommen habe. Als der Graf davon hörte, brach er in schallendes Gelächter aus. Leider ist nicht überliefert, ob ihn der Ortsname Tuntenhausen so erheiterte, oder ob es ihn amüsierte, dass sich ein Prinz mit einem Bauernverein abgebe. Immerhin ist seit der Zeit der Begriff Tuntenhausen eng mit der Produktion von Unsinn verbunden.

So tauchte das nächste Fake über Tuntenhausen ca. 1910 in Form einer Postkarte auf. Deutlich ist bereits damals die Transvestinger Kirche zu erkennen.

Hier der schwer lesbare Text:

GRUSS AUS TUNTENHAUSEN

Wo man höret Glocken schallen
Und Gesang dringt an das Ohr,
Wo die frommen Pilger wallen
Zu dem Gnadenort im Chor.
Wo zum Mutter-Gottesbilde
Treibt es all mit Herz und Sinn
Zu der Jungfrau, ernst und milde,
Der Bedrängten Trösterin.

Ein weiteres, sehr frühes Fake über Tuntenhausen stammt von Kurt Tuscholsky aus den 20-er Jahren.
(Schnipsel, rororo 1669, S.66)

Es ist nicht eindeutig geklärt, wie sich das Fake über 50 Jahre halten konnte. Jedenfalls fiel als nächstes 1975 Professor Dr. Lutz Mackensen auf das Fake von Kurt Tucholsky herein:
(Deutsche Rechtschreibung, Prof. Dr. Lutz Mackensen, 1975)

In den folgenden Jahren tauchte der Begriff Tuntenhausen in der Presse immer wieder im Zusammenhang mit einem katholischen Männerverein auf. Man vermutet, dass etwa zu der Zeit, als der Begriff Tunte für Transvestiten im Volksmund allgemeine Verbreitung fand, sich jemand den Scherz erlaubte und den Tunten einen katholischen Männerverein zuschrieb.

Der
ibka kennt auf seiner Internetseite folgenden Beleg von 1977:

Mai 1977. Der bayerische Staatsminister für Bundesangelegenheiten und stellvertretende CSU-Landesvorsitzende, Heubl, hat auf einer Tagung des Katholischen Männervereins in Tuntenhausen "zutiefst bedauert", dass "es heute bereits katholische Theologieprofessoren gibt, die den Teufel und das Böse auf dieser Welt als Einbildung hinstellen ..."

oder die Süddeutsche Zeitung vom 13.9.94:

Tuntenhausen. Hans Zehetmair, Vorsitzender des "Katholischen Männervereins Tuntenhausen" (des klerikalen CSU-Flügels) und bayerischer Kultusministers, äußerte sich lobend über den Höhepunkt der Herbstwallfahrt seiner frommen Vereinigung: Die Predigt vom Abt des Benediktinerklosters Metten sei eine der besten der letzten fünf Jahre gewesen. Der Kirchenfürst hatte darin die Anfeindungen beklagt, denen der katholische Glaube ausgesetzt sei: "Es gehört heute schon fast so viel Mut dazu, sich als Katholik zu bekennen, wie im Dritten Reich". Auch mit der evangelischen Kirche ging der Abt hart ins Gericht: Mit der Verbannung der Marienverehrung habe sie sich zum reinen Männerverein degradiert; damit sei die Reformation letztlich schuld am heutigen Feminismus. Gerade diese letzte Schlussfolgerung fand den besonderen Beifall des Kultusministers: "Eine ungemein moderne und zukunftweisende Predigt, meine Damen!"

oder am 29.4.2002 im Bayernteil

Zwischendurch brachte die Süddeutsche Zeitung am 11./12. Mai 1991, in der Wochenendbeilage diesen ganzseitigen Bericht

der dann den Teschtirp später inspirierte, eine Seite über den katholischen Männerverein Transvesting zu verfassen.

Sogar ganz seriöse Magazine sind auf das Fake schon hereingefallen:

Auch an der Politik ging das Fake nicht spurlos vorüber. Renate Schmidt sagte 1996, damals noch bayerische Fraktionsvorsitzende der SPD, in etwa:

"... solange in Bayern der Kleingeist von Tuntenhausen Gültigkeit hat ..."

Auf dieses Fake fielen sogar zwei Leserbriefe im Oberbayerischen Volksblatt herein:

Etwa im Jahre 1996 erfand der Teschtirp für sein Kabarett den Begriff Tuntenhausen. Ab diesem Zeitpunkt kam weder Presse noch Kabrettisten um Tuntenhausen herum. Immer wieder finden wir Zeugnisse dafür, dass sich kaum jemand der Verbreitung des Begriffes widersetzen konnte.

Hierfür wieder ein paar Beispiele:

Bruno Jonas, "Bin ich noch zu retten", Goldmann Juli 2001; S. 125.

Der Graubereich wird ja immer größer und unübersichtlicher. Nur der schwarze Bereich, der bleibt konstant. Auf den schwarzen Bereich kann man sich verlassen. Mittendrin in diesem schwarzen Bereich befindet sich der Tuntenhausener Kreis, wo Moral gehütet wird. Einer von der CSU hat schon gesagt, dass es nicht moralisch ist. Der Busengrapscher war es nicht, und der Mann mit dem Telefonsex auch nicht. Die haben aber noch mehr von der Sorte. Ist schon wichtig, dass einer auf die Moral schaut. Bei den Schwarzen schaun sie moralisch schon genauer hin, Und dass die Rot-Grünen eine unmoralische Bande sind, wissen wir auch. Rot und Rotlichtmilieu - das liegt eben ganz nah beieinander.

Süddeutsche Zeitung, Lokalspitze vom 25.1.2002

Der FC Bayern, jeder weiß es, ist, wie der Bauernverband oder der Katholische Männerverein Tuntenhausen, eine Untergrundorganisation der CSU, in diesem Fall der sportliche Arm der Staatspartei.

Oder 2003 die Biermösl Blosn mit ihrem Lied "Marsch auf Berlin":

Lauter Schwule, Lesben, Nackerte,
an Stoiber hauts schier um,
die Hälfte seiner Gebirgsschützen,
stoit si raus, is anders 'rum.
Vernichtet und geschlagen
wendet er sich ab mit Grausen,
mit seinem Kompetenzteam
flieht er nach Tuntenhausen.
Mit de rot-grüna Chaoten
macht da Stoiber nimmer weiter:
Er gründet jetz die Lega Süd,
mitm Berlusconi und mitm Haider!

Und auch die Couplet-AG fiel auch auf die Fälschung aus Transvestinger herein:

Dass'd uns de Marianische Männerkongregation bewahrst
Und zwoamol im Jahr mid uns nach Tuntenhausen fahrst
Oh CSU, wir danken dir
dass du die Landwirt tust Subventionen gönnen
dass sie auch weiterhin Mercedes fahren können
Oh CSU, wir danken dir
dass'd uns gschenkt as Bierzelt und den Donauausbau
den Defiliermarsch, die Schlösser und den Braten von der Sau
Oh CSU, wir danken dir
Und von der Europäischen Gefahr
du uns beschütze und bewahr
du unser Landes weiß-blaue Zier
was wären wir nur ohne dir
und gäbs nur Deppen bei der CSU
wir wähln auch sie freudig immer zu

In der allgemeinen Euphorie über einen deutschen (nein, bayerischen!) Papst wird in der lokalen Presse sogar behauptet, dass Bene16 als Kardinal Ratzinger schon mal im (nichtexistenten) Ort Tuntenhausen gewesen sei:

Inzwischen hat das Fake Tuntenhausen sogar eine eigene Internetseite. Und sogar das Wappen lehnt sich an das von Transvesting an:

Was allerdings die Dünnhäutigkeit bezüglich des Ortsnamens betrifft, ist man sich im Gästebuch mit den Transvestingern einig:

Nachdem Tuntenhausen im oberbayerischen Raum in aller Munde war, ersannen ein paar spitzfindige Leute eine Chronik des Ortes und veröffentlichten sie in einem Buch:

Und so fühlten sich auch ein paar Kartographen verpflichtet, in die bayerische Voralpenlandschaft abseits jeglicher Hauptverkehrsstraßen ganz versteckt ein Tuntenhausen einzutragen.

Und wie erstaunt war erst der Teschtirp, als er das auf der Karte verzeichnete Tuntenhausen suchte und feststellen musste, dass dort ein Dorf nachgebaut wurde, ganz nach der Beschreibung von Transvesting auf seiner Internetseite:

Damit hatte er nicht gerechnet, als er das Fake in die Welt setzte.

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