Lange Zeit herrschte in Transvesting Gottesfurcht und Frömmigkeit. All das verlor sich, als die Züge im Stundentakt in die Kreis- oder Landeshauptstadt fuhren. Mit ihnen kamen Leute aus dem ganzen Land nach Transvesting um von dort in die benachbarten Städte zu pendeln. Und mit ihnen kam Gottlosigkeit, Sittenlosigkeit und Schamlosigkeit. Transvesting war nicht mehr der Ort aus dem fleißige Kirchgänger herkamen.
Der hochwürdige Herr Pfarrer Lehner kam jeden Sonntag bei der Predigt auf die gottlosen Neubürger zu sprechen, von denen man nie welche einen Gottesdienst zu sehen bekam. Ganz im Gegenteil: Meist schliefen sie noch, wenn die Glocken zum Kirchgang riefen und mitten während der Kirchenzeit bevölkerten sie die Wiesen, Wälder und Straßen, trieben in papageifarbener Kleidung Sport, wuschen ihre Autos, saßen bei unchristlicher Musik auf der Terrasse beim Frühstück oder aßen beim Postwirt die ersten Weißwürste, während in der Kirche nebenan die Wandlung läutete.
Bei Torsten Koopmann wusch man regelmäßig am Tag des Herrn und hängte Unterwäsche und bunte Bettwäsche im Garten unmittelbar an der Straße zum Trocknen. Eine Delegation des Pfarrgemeinderates wurde bei Torsten Koopmann vorstellig und bat ihn, das gotteslästerliche Treiben in Anbetracht der frommen Kirchgänger einzustellen. Torsten Koopmann dache jedoch nicht daran, den Sonntag zu ehren, sondern beschimpfte die Delegation auf übelste.
Keiner dieser respektlosen Neubürger hielt bei der Wandlung inne und bekreuzigte sich. Und drüben in der Kirche predigte Pfarrer Lehner:" Indem wo grad jetzt, wie wir sehen, liebe Christen, überall Neubürger in unsere Gemeinde zuziehen, möchte ich euch im Namen unseres Herrn und Heilands ermahnen und euch ans Herz legen, lasst euch nicht anfechten in eurem Glauben. Das, wo aus der Stadt kommt ist noch nie was Gescheits gewesen. Als euer Seelsorger möchte ich euch anhalten, schauts diese Gefahren an, die da ins Dorf kommen. Schauts euch diese Leute an, was sie treiben, und ihr werds inne, dass sich so ein Benehmen für einen Christenmenschen nicht gehört."
Warnend streckte er den dicken Zeigefinger in die Höhe und verfinsterte sein Gesicht. Und indem er fast drohend in das Kirchenschiff hinunter sah, dort, wo Transvestinger hockten, fuhr er fort: "Es bleibt unserm Hergott nichts verborgen, meine geliebten Zuhörer und Zuhörerinnen in Jesu. Er sieht alles, und die Strafe für ein solches schandmäßiges Verhalten bleibt nicht aus, solang es eine römisch-katholische Kirche gibt. Amen." Sein volles Gesicht war dunkelrot, und nach Schluss der üblichen Gebete stapfte er fast beleidigt von der Kanzel herab.